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Mit der Vertonung von Shakespeares „The Merry Wives of Windsor“ mit dem deutschen Text und in der dramaturgischen Bearbeitung von Salomon Herrmann Ritter von Mosenthal (die Sprechdialoge verfaßte der Komponist selbst) hat sich Otto Nicolai einen festen Platz als Komponist im Repertoire der deutschen Spieloper erobert. Neben den „Lustigen Weibern“ hat Nicolai auch noch andere Opern komponiert, unter denen „Il Templario“ (1840) sich als besonders erfolgreich erwies. Von 1841 bis 1848 war er 1. Kapellmeister an der Wiener Hofoper, leitete die Philharmonischen Konzerte und gilt als der Begründer der Wiener Philharmoniker. 1848 ging er als Domkapellmeister in der Nachfolge von Mendelssohn-Bartholdy nach Berlin. Dort fand dann auch die Uraufführung der „Lustigen Weiber“ am 9.März 1849 im Königlichen Opernhaus in Berlin statt. Sie hatte kaum Erfolg und wurde nach der vierten Aufführung bereits abgesetzt. Völlig unerwartet starb Nicolai kurz danach, am 11. Mai 1849, an den Folgen eines Blutsturzes. Erst allmählich konnte sich der Erfolg dieser Oper durchsetzen. Eine große Konkurrenz ist und bleibt allerdings die großartige „Falstaff“ – Adaption von Giuseppe Verdi, die 1893 zur Uraufführung kam.
Der dicke und trinkfeste Falstaff taucht in Shakespeares “Henry IV.” auf und stirbt in „Henry V.“, um in „The Merry Wives of Windsor“ seine fröhliche Auferstehung zu feiern (angeblich auf Wunsch Elisabeths I.). Die Fassung von Nicolai und Mosenthal katapultiert jedoch den „fetten Junker“ in das 19. Jahrhundert, in die Zeit des sogenannten Biedermeier, in der das Bürgertum erstarkte und sich selbst in seinem kapitalgesättigten Selbstbewußtsein feierte. Otto Nicolai war königstreu und fern jedweder revolutionären Tendenz. Dennoch zeigt seine Oper mit komödiantisch-satirischen Witz die Schwachstellen in dieser sich so selbstsicher gebenden bürgerlichen Gesellschaft auf, etwa in der mörderischen Eifersucht Fluths, in der Geldgeilheit Reichs oder in der erotischen Verklemmtheit und Ungeschicklichkeit der Freier Dr. Cajus und Spärlich. Bürgerliche Biedermeier-Idylle hat hier kaum Platz. Die komische Brisanz in dieser Oper lebt von den Streitszenen wie z.B. die Auseinandersetzung um den richtigen Schwiegersohn im Hause Reich oder das brutale Eifersuchtsgehabe von Herrn Fluth. Selbst Fenton, Annas Liebhaber, kommt nicht umhin, seiner Freundin Vorwürfe zu machen, was dann allerdings zur geigenumflorten Versöhnung führt. All das eignet sich trefflich für komödiantische Situationen und Nicolais turbulente Musik spitzt sie auch immer wieder sehr bühnenwirksam zu. – Der Komponist nannte seine Oper „komisch-phantastisch“ und seine Musik findet in der Tat sowohl den komödiantischen als auch den „phantastischen“, d.h. lyrisch-romantischen Ton. Besonders im 3.Akt, wenn die Bürger sich verkleiden und sich einer „Sommernachtstraum“- Romantik hingeben, geistert viel Mendelssohn durch die Partitur (ein Motiv aus dem „Oberon“ wird zitiert!). Aber auch die Brutalität, mit der die Spießbürger über den dicken Ritter herfallen, weiß Nicolais Musik zu spiegeln.
Falstaff, diese herrliche Komödienfigur, listig und dumm, raffiniert und naiv zugleich, löst all die Turbulenzen und Irritationen aus, ist aber letztendlich auch das Opfer einer Kleinstadt-Gesellschaft, die sich aus dem Käfig der vorgefaßten Meinungen und Konventionen nicht befreien kann. Ein etwas bitterer Beigeschmack bleibt zurück, trotz all der schönen Melodien, der umwerfenden Situationskomik und dem romantischen Flair, mit denen diese Oper ausgestattet worden ist.
Prof. Matthias Remus
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